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Freitag, 15. April 2016

Angst

Heute war wirklich nicht der beste Tag.
Und ich kann einfach nicht aufhören, über ihn nachzudenken. Versuche schon die ganze Zeit mich selbst zu analysieren und herauszufinden, was genau mit mir los ist.

Die Tatsache, dass er ein Mädchen umarmt, welches er lange nicht mehr gesehen hat, stört mich ja garnicht so sehr. Aber ich komme einfach nicht darüber hinweg wie er ihr geschrieben hat, dass er sie unbedingt zerquetschen will wenn er sie wiedersieht und immernoch der "Teddy" ist.
Ich bin nicht überzeugt davon, dass er mir gesagt hätte, wenn er ein bisschen mehr als eine Umarmung gewollt hätte. Naja, er hat selber gesagt das er es mir dann nicht gesagt hätte. Und das war schon etwas komisch, auch wenn er nachher gesagt hat das er es falsch verstanden hätte, nicht nachgedacht hätte.
Und dann ruft auch noch meine Mutter an und mein Onkel verfällt leicht in Panik, weil es ihr nicht gut geht. Und als wir im Auto saßen, auf dem Weg ins Krankenhaus und er aufs Gas drückte, da bemerkte ich, dass ich mich wohl genauso gefühlt haben muss, als ich ein Kind war.
Das ich mich nur bruchstückhaft an den Tag erinnern kann, als mein Vater anstatt meiner Mutter mich von der Schule abholte. Aber das ich mich wohl so gefühlt haben muss wie im Auto heute nachmittag, so verwirrt, aufgewühlt, ängstlich. 
Nun gut, eine Operation am Rücken ist weit nicht so schlimm wie der Krebs damals.
Aber es hat mich so daran erinnert, erinnert wie hilflos ich war, bin, und wie nutzlos ich war. Bin.
Natürlich stellt man sich die Frage, ob man nicht irgendetwas hätte tun können. Und vielleicht sogar grundlose und verrückte Schuldgefühle sagen dir plötzlich, du hättest mehr auf deine Mutter achten sollen.
Oh mein Gott, ich habe in letzter Zeit so Angst, irgendetwas zu verlieren.
Nein, irgendjemanden.
Meinen Papa habe ich in gewisser Weise verloren, auch wenn das nach unsinnigen Gedanken klingt.
Ich weiß, dass er uns ja irgendwo trotz neuer Familie noch liebt, das ist mir klar, aber es fühlt sich immernoch wie ein Verlust an.
Ich habe Angst, Bou zu verlieren. Früher hätte ich davor keine Angst gehabt. Das "Für immer und ewig" und "Füreinander da sein und treu sein" das fühlt sich plötzlich so unsicher an. Aber ich habe erlebt wie es ist, ihn zu verlieren. Und ich hätte mir nie vorstellen können, wie weh das tut.
Und wenn man wie ich heute im Krankenhaus ist und die Mutter ganz leise spricht und so kraftlos aussieht, wenn du sie plötzlich im Rollstuhl anstatt auf den Beinen siehst, wie ihr Blut in so einen seltsamen Beutel tropft, wie sie nur ein paar wenige Bissen von einer Scheibe Brot gegessen hat, dann fühlt man sich einfach so. Ich glaube, das würde jeder tun.
Heute musste ich an meine Uroma denken.
Die immer über meiner Oma gewohnt hat, ihre kleine, vollgestellte Wohnung und die Spritzen, die sie sich jeden Tag spritzen musste. Die Bilder neben ihrem Fernseher, ihre Begeisterung für die französische Sprache und an ihre Beerdigung, an der dieses eine Lied lief, das ich wohl das erste und letzte Mal in meinem Leben gehört habe.
An meinen Opa, der uns manchmal besucht hat und ich erinnere mich an diese braune Mütze, die er oft getragen hat. Daran, dass er immer nach alten Geldmünzen gerochen hat und wie ich mit meinen Schwestern auf seinem großen Grundstück herumgelaufen bin. Ich meine mich zu erinnern, dass er beim Lächeln oft ein bisschen gelacht hat und wie dunkel seine Stimme dabei geklungen hat.
Ich denke sogar an meinen ersten Hund, den ich bis heute nicht vergessen kann. Und wegen dem ich glaube ich das einzige Mal in meinem Leben Nasenbluten hatte. Und wie meine neugeborene Schwester solche Angst vor ihm hatte, dass wir ihn zu meinem Opa geben mussten.
Und ich erinnere mich an meine Oma. Und die erste Erinnernung die mir zu ihr einfällt, ist die, wie wir immer Plätzchen mit ihr in ihrer kleinen Küche gebacken haben, auch wenn das schon Ewigkeiten her ist und sie mit der Zeit zu alt dafür geworden ist. Ich erinnere mich, dass sie mir jedes Mal etwas kleiner vorkam, als wir sie besuchten. Das ich immer größer wurde, während sie kleiner wurde. Wie wir dann immer auf ihrer Coach im Wohnzimmer saßen und gegenüber eine lange Kommode stand, vielleicht auch ein Schrank. Und auf diesem standen viele Bilderrahmen, auch welche von uns. An einer Wand neben dem Tisch hingen Postkarten die sie uns oft glücklich gezeigt hat.
Und als hätte ich es nicht gewusst und noch nie darüber nachgedacht, vielleicht habe ich das ja auch nicht, fällt mir ein, dass alle alleine waren.
Das jeder von ihnen alleine gewohnt hat. Das ist irgendwie wirklich traurig.
Ich werde müde. Und ich freue mich darauf, zu schlafen. Nicht nachzudenken. Zu träumen.
Das liebe ich.

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